Tödliche Begegnung
Ich sah ihn vom Auto aus auf dem Feld liegen. Da bewegte er sich noch. Als ich zwei Minuten später vor ihm stand, war er bereits reglos. Sekunden danach erlosch sein Augenlicht. Nicht einmal hundert Meter entfernt lag ein schon erheblich verluderter Schwarzmilan.
Der auf dem Foto abgebildete Rotmilan (Milvus milvus), auch Roter Milan, Gabelweihe oder Königsweihe genannt, ist in seiner Verbreitung im Wesentlichen auf Europa beschränkt. Allein Deutschland beherbergt über 50 Prozent des weltweit auf nur noch maximal 25.000 Brutpaare geschätzten Bestandes. Gemäß der Roten Liste der IUCN von 2006 wird der Rotmilan als Art der Vorwarnliste (NT = near threatened) eingestuft. Ausschlaggebend dafür sind die zum Teil erheblichen Bestandsrückgänge seit Beginn der 1990er Jahre in den Schlüsselländern der Verbreitung Deutschland, Spanien und Frankreich. Gründe für die Bestandsrückgänge liegen vor allem in der Intensivierung beziehungsweise Umstellung der Landwirtschaft. Besonders negativ wirkte sich diese Entwicklung nach der deutschen Wiedervereinigung auf die Rotmilanbestände im Osten Deutschlands aus, wo regional Bestandseinbußen um 50 Prozent und mehr und ein deutliches Absinken der Reproduktionszahlen zu verzeichnen sind. Der Rotmilan war in Deutschland und Österreich Vogel des Jahres 2000. Mit dieser Wahl sollte auf seine Gefährdung durch die Intensivierung der Landwirtschaft sowie die besondere Verantwortung Deutschlands für die Erhaltung der Art aufmerksam gemacht werden (nach Wikipedia).
Im Gegensatz zum Roten hat der Schwarze Milan (Milvus migrans) oder Schwarzmilan, Wassermilan, Seemilan, ein riesiges Verbreitungsgebiet. Er gilt als die weltweit häufigste Greifvogelart. Die Populationen allein in Europa werden auf 130.000 bis 200.000 Tiere geschätzt. Der Bestand gilt laut der Roten Liste der IUCN von 2006 als vulnerabel, aber nicht gefährdet (nach Wikipedia).
Obwohl es mich brennend interessiert, habe ich nirgendwo in Erfahrung bringen können, warum von den einheimischen Greifvogelarten nahezu ausschließlich die Milane Opfer der Windkraftanlagen werden. Ein Jäger hat mir erzählt, dass vor einigen Jahren in seinem Revier im Harzvorland eine Rotte Wildschweine einen Windpark als zuverlässige Nahrungsquelle erkannt hatte. Die am Fuße der Windräder regelmäßig aufzufindenden toten Milane hätten das Schwarzwild sogar bei Tageslicht aus dem Einstand gelockt. Die Rotte sei erst weiter gezogen, als der Milan-Bestand erheblich geschrumpft und somit zwangsläufig auch die Anzahl der verendeten Vögel zurückgegangen war.
Deutsche Windräder sind aber nicht nur für die Milane, sondern auch für Fledermäuse aus Nordosteuropa und Skandinavien eine Todesfalle. Studien des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) besagen, dass jährlich mehr als 200.000 Fledermäuse an deutschen Windkraftanlagen verunglücken. Die Forscher untersuchten vier Fledermausarten, die regelmäßig an Windkraftanlagen in Deutschland zu Tode kommen. Sie führten ihre Untersuchung an Standorten in vier Bundesländern durch. Fledermäuse sind von besonderem Interesse, weil sie eine wichtige regulierende Funktion für Ökosysteme haben und Populationen von Schadinsekten in Schach halten. Außerdem ziehen viele Arten im Frühjahr und Herbst zwischen Fortpflanzungs- und Überwinterungsgebieten durch ganz Europa. Die in Deutschland verunglückten Rauhautfledermäuse kamen fast ausschließlich aus dem Baltikum und Weißrussland. Auch Exemplare des Großen und des Kleinen Abendseglers mussten ihre Reisefreudigkeit mit dem Leben bezahlen, sie kamen ebenfalls aus dem Norden und Osten, also aus Skandinavien oder dem Baltikum. Hingegen stammten die gefundenen Zwergfledermäuse aus den Regionen rund um die Anlagen. Windkraftanlagen können also Auswirkungen auf weit entfernte Ökosysteme haben. Die Wildtierbiologen warnen, dass diese Verluste empfindliche Lücken in die fernen Populationen reißen. Fledermäuse haben eine geringe Fortpflanzungsrate, sie bekommen nur ein bis zwei Jungtiere pro Jahr. Von zusätzlichen Unglücksfällen kann sich eine Fledermauspopulation daher nur langsam, wenn überhaupt, erholen.
Seit kurzem wissen die Forscher auch, wie die Fledermäuse an den Anlagen zu Tode kommen: Die Tiere werden nicht wie allgemein angenommen durch die Rotorblätter „zerhäckselt“. Sie sterben vielmehr an einem sogenannten Barotrauma. Dabei platzen ihre Lungen und inneren Organe, weil durch Verwirbelungen hinter den Rotorblättern starke Druckschwankungen entstehen.
Die IZW-Forscher halten mehr Absprachen zwischen der EU und den östlichen europäischen Ländern für dringend nötig. Die internationalen Regularien zum Schutz von ziehenden Arten kämen in diesen Fällen noch nicht genügend zum Tragen. Deutschland steht in einer besonderen Pflicht, da die sogenannte „grüne Energiewende“ durch den vorangetriebenen Ausbau von Windkraftanlagen negative Konsequenzen auf weit entfernte Ökosysteme in Nordosteuropa haben könnte. Das Problem der Fledermausunfälle ließe sich eigentlich einfach lösen. Die Anlagen müssten in der Abenddämmerung, wenn der Wind sowieso meist abflaut, für ein bis zwei Stunden ausgeschaltet werden; vornehmlich während der Zugzeit der Fledermäuse. Dies würde die Zahl der Todesfälle vermutlich drastisch senken und nur geringe Gewinneinbußen bei den Betreibern zur Folge haben. Die IZW-Forscher sind überzeugt: „Wir benötigen eine intelligente Energiewende, mit möglichst wenig Schaden für Mensch und Wildtier.“ (http://www.fv-berlin.de/news/deutsche-windraeder-todesfalle-fuer-fledermaeuse-aus-nordosteuropa)
Klingt für mich wie eine hilflose Floskel. „Grüne Energiewende“ verspricht erstmal Harmlosigkeit, die Kehrseite ist aber der millionenfache Tod von Tieren an den Windrädern. Die Gefahren der Windkraftanlagen für die Tierwelt sind hinreichend bekannt, die der Wiesenmahd für die Hasen, Rehkitze, Fasanen und Rebhühner noch viel länger. Trotzdem werden in jedem Jahr in Deutschland bei der Wiesenmahd nach wie vor etwa eine halbe Million Tierkinder getötet oder verstümmelt. Es mag zwar die eine oder andere Ausnahme geben, im Großen und Ganzen glaube ich aber nicht daran, dass Energiekonzerne oder Landwirte ihren Ertrag freiwillig schmälern werden, um Tiere vor dem Tod durch Maschinen oder Anlagen des Menschen zu bewahren. Abhilfe schaffen könnten einzig die Politiker, aber die nehmen diese Zustände seit Jahren schweigend hin.
Eo 11. April 2016, 15:04
tja das ist das Dilemma. Jeder will immer mehr Energie verbrauchen und mehr Elektronik haben (riesen Fernseher etc. ) Aber die Energie kommt nun mal nicht aus der Steckdose. Atomkraft will keiner, Wasserkraft nicht, Leute,,,einen Tod muss man sterben oder wir sollten uns überlegen kürzer zu treten und wirklich strom sparen. Aber das will auch keiner...Cimberly 14. Februar 2014, 15:51
Interessanter Text, hab dazu gelernt. Danke.LG Cimberly
alopax 8. Februar 2014, 9:11
Ich habe den Beitrag heute in der aktuellen Ausgabe von Naturblick gelesen. Ich hatte immer gedacht die Vögel werden gehäckselt. Die Argumente der Windradbauer waren immer. es passiert ja nix. Bei mir sollen auch Windräder gebaut werden unsere Verwaltung will das mit aller Macht durchdrücken, die Stadtvertretung ist zum Glück anderer Meinung. Ich wohne am Rand des Müritznationalparkes, der zum Glück frei bleiben soll. Aber ringsherum wird gebaut und wir sind Kranichrastplatz, Seeadlerbrutgebiet und Fischadlerbrutgebiet, die Folgen nicht abzuschätzen.Der Beitrag hat mir die Augen geöffnet, ich werde alles was ich kann gegen Windräder unternehmen.
christine müller 14. Januar 2014, 15:15
Dieses Bild macht mich sehr traurig.Christine
wkbilder 13. August 2013, 14:43
hier schlugen nicht nur zum hochwasser haushohe wellen wegen einer fledermaus die bisher noch nicht (wieder?) gesichtet wurde aber die landschaft wird mit abertausend solcher mühlen zugestellt und von den grünen noch gefeiert, lg peterUwe Güntherodt 28. Juli 2013, 10:28
Das tut mir so richtig weh in der Seele.Eigentlich haben wir ja schon viel zu viele von den Anlagen.Wenn ordentlich Wind weht produzieren wir zuviel Strom der dann ins Ausland fast verschenkt wird. Dort wird die Energie dann in Speicherseen deponiert und mit sehr großen Verlusten zurückgewonnen und wieder mit Gewinn an Deutschland teuer verkauft ,wenn halt kein Wind geht. Unverständlich warum man dann noch mehr WKA baut,den die produzieren ja bei Flaute auch kein Strom. Schlau wäre es das Geld in die Forschung der Energiespeicherung zu stecken, zB mit überschüssigem Strom Wasserstoff herzustellen,und diesen dann in Brennstoffzellen zurückgewinnen.Da gibt es schon sehr gute vielversprechende Ansätze. Wenn die Speicher dann gut gefüllt sind wäre es kein Problem bei Vogelzug oder in Brutzeiten die entsprechenden Anlagen auch mal runter zu fahren.
Ja ich weiß,daran wird schon intensiv geforscht,aber Fakt ist das momentan immer mehr und immer größere WKA in die Landschaft gestellt werden.
Danke für Deine Aufnahme und den objektiven Text dazu
Als Naturfotograf und Naturliebhaber passen wir sehr auf mit unserer Tätigkeit ja nicht zu stören. Gerade deshalb dürfen nicht zulassen das die grüne Energiewende zu Tod und Zerstörung führt. Es ist noch ein weiter Weg aber der muß behutsam gegangen werden. Wenn nur Profitstreben der Antrieb ist haben die wehrlosen Geschöpfe leider keine Chance.
Gruß Uwe
Hartmut Rühl 13. Mai 2013, 23:16
danke für die Dokumentation, ich sehe es genauso!Danny Liska 23. April 2013, 21:03
Interessante Beschreibung. Aber Traurig.LG Danny
Annette Ralla 21. April 2013, 7:47
Das sind traurige Tatsachen, die leider die Politiker nicht interessieren!Schade um die vielen schönen Vögel, die dort ihr Ende finden!
LG Annette
Volker K 12. April 2013, 21:48
Ein sehr treffender Bericht mit einem sehr passenden Foto dazu ! Leider hat man die Auswirkungen von so riesigen Windkraftanlagen im Bezug auf die Tierwelt unterschätzt.Ich frage mich schon Jahren, warum diese Rotoren so einen großen Durchmesser haben müssen ?!
Ich denke, das kleinere Anlagen unproblematischer sein müssten. Es geht wie immer nur um den Profit, da wird auf die Natur keine Rücksicht genommen. Leider !
Gruß Volker
Lutz Wilke 12. April 2013, 13:28
Dein Foto und der Bericht machen mich betroffen.Da die Tiere keine große Lobby haben wird es sehr schwierig ihre Interesse durch zu setzen.
Gruß Lutz
micsfoto 11. April 2013, 19:37
Irrsinn!Hier gibt es mittlerweile Landflecken mit eine Mühlendichte, unverantwortlich.
Mir fehlen die Worte.
DANKE für Deine deutliche Aufklärung.
VG Michael
~Evelyn~ 11. April 2013, 14:46
Tja, die Windräder....... Gleich hier um die Ecke sollen auch bald welche stehen, das obwohl wir viele Rotmilane im Gebiet haben und mindestens ein Schwarzmilanpaar. Wann immer ich Windkraftanlagen sehe, bekomme ich einen dicken Kloß im Hals, da gerade der Rotmilan zu meinen liebsten Lieblingsvögeln zählt. Daher sind für mich Windräder leider nicht wirkliche eine gute Alternative.Foto Dreams 10. April 2013, 20:54
@Monty Da bist du nicht ganz richtig informiert. Ich weiß aus allererster Hand (von jemandem der dort arbeitet!), dass zum Beispiel das Kernkraftwerk in Lingen, das derzeit größte und modernste in Deutschland, nicht auf voller Leistung fährt, weil es für die Betreiber billiger ist Atomstrom, aus dem Osten zu IMPORTIEREN!Ist es das, was du möchtest????
Es ist richtig, dass wir Endverbraucher durch energiesenkende Maßnahmen weniger Strom verbrauchen, aber die Industrie schert sich keinen Deut darum, sie verpulvert nach wie vor Energie ohne Ende und das wird dann auch noch mit billigem Strom vom Staat subventioniert, DA müsste man mal dringend ansetzen, aber da sind die Lobbys wieder zu stark! :-(
Wir werden hier in Deutschland als Bürger für dumm verkauft, das gilt natürlich auch für Wind- und Solarstrom, da gebe ich vielen anderen hier auch Recht, auch da könnte man vieles besser machen. Es gibt sicher Mittel und Wege die Natur so wenig wie möglich zu belasten und die Tiere möglichst gut zu schützen, so wie oben ja auch bereits unter dem Bild angesprochen.
Ändert aber nichts an meiner Einstellung, dass Wind- Solar und Wasser derzeit für mich die einzigen ökologisch halbwegs akzeptablen Alternativen sind und glaubt mir, ich habe mich intensivst mit der Thematik auseinandergesetzt und zwar nicht erst seit Fukushima, sondern schon viel, viel länger!
Ganz liebe Grüße
Tina
PMW 10. April 2013, 19:54
Tja, so ist die Problematik!Aber selbst die staatliche Vogelschutzwarte hält sich zurück (man nennt es wohl Politik)...
Jedenfalls ist diese Foto es wert, zu meinen öffentlichen Favoriten zu wandern.
VG Werner