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Schaf im Wolfspelz: Schmetterling als Wespe (Costa Rica)

Schaf im Wolfspelz: Schmetterling als Wespe (Costa Rica)

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Weißwolf


Premium (World), Güstrow

Schaf im Wolfspelz: Schmetterling als Wespe (Costa Rica)

Wie bayucca bereits vermutet hat*, wird es sich hier wohl um Pseudosphex laticincta handeln, jedenfalls sprechen die Thoraxzeichnung und Flügeladerung sehr dafür.
2005 wurde die Familie Erebidae von den Eulenfaltern (Noctuidae) abgetrennt; im Deutschen werden sie, wenn überhaupt, gelegentlich auch (noch) als Eulenfalter bezeichnet. Da die Trennung anhand eines Flügelmerkmals erfolgte – die Cubitalvene erreicht entweder drei oder vier Endäste – kann man sie als trifine Eulen (Noctuidae) oder quadrifine Eulen (Erebidae) bezeichnen. Zu letzteren gehören u.a. die Trägspinner und die Bären (Bärenspinner); zu dieser wiederum gehört die Gattung Pseudosphex.
Der Gattungsname deutet an, der Falter würde wie „Sphex“ aussehen. Das ist irreführend, denn bei diesen Grabwespen handelt es sich durchweg um schwarze Tiere, deren erste Hinterleibsegmente oft rot gefärbt sind**. Pseudosphex ist hingegen auffällig exakt gebaut und gefärbt wie einige Faltenwespen in den Gattungen Agelaia, Mischocyttarus, Polybia und Protopolybia.
Bei P. laticincta fällt die detailgetreue Nachahmung auf, die nicht nur die Steifung umfasst wie bei uns sonst bekannten, „klassischen“ Mimikryformen zwischen Wespen und Schwebfliegen. Die Zeichnung auf dem Vorderkörper, die Wespentaille, die Flügelform und -zeichnung, selbst die Längsfaltung der Flügel stimmen fast perfekt überein – als hätte sich jemand irre Mühe gegeben, die Tiere einander ähnlich zu gestalten. Zweifellos erlangt der Schmetterling damit jene Vorteile, die die genannten Wespen als mit Stacheln ausgestattete und damit wehrhafte Insekten bereits besitzen: sie werden von vielen potenziellen Räubern gemieden (Bates’sche Mimikry). Es handelt sich dabei um ein Signal, dass ein als Beute unattraktives, weil wehrhaftes Insekt (Wespe) an einen Räuber (z.B. Vogel) sendet und dem sich ein Trittbrettfahrer (Schmetterling) durch Mutation und Selektion anschließt. Das heißt, der potenzielle Räuber wird im Laufe seiner Entwicklung lernen, die Wespen zu meiden und der Schmetterling profitiert durch seine Ähnlichkeit davon (Müller’sche Mimikry), was aber möglicherweise auch „nur“ eine Signalnormierung bzw. Konditionierung beim Rezipienten (Räuber) ist und durchaus reversibel sein und wieder verloren gehen kann.
Für die Beziehung zwischen P. laticincta und den o.g. sehr ähnlichen Wespen haben Forscher aus Deutschland und England kürzlich (2017) eine weitere Hypothese präsentiert. Danach könnte die frappierende Ähnlichkeit des Schmetterlings einen zusätzlichen Vorteil bringen: er würde nicht als Beute der Wespe erkannt wird. Das Besondere an dieser Theorie ist, dass es neben dem „Original“ und dem „Kopierer“ keines weiteren Signalempfängers bedarf, Original und Signalempfänger sind ein und der Selbe. Da die Wespen sozial organisiert sind, sich dabei hauptsächlich visuell orientieren und sehr gut sehen können, käme dem Grad der Ähnlichkeit eine höhere Bedeutung zu als in anderen Systemen, in denen der Signalempfänger einen weniger stark entwickelten Sehsinn besitzt, so dass etwa das gelb-schwarze Muster völlig ausreichen würde. Es würde auch bedeuten: Die Signalkette liefe nicht (mehr) über einen Lernprozesses, sondern wäre wegen der großen Ähnlichkeit zwischen Beute und Räuber von vornherein ausgeschlossen, weil das Signal „Beute“ bei den Wespen gar nicht erst aktiviert bzw. dauerhaft unterdrückt würde. In Umkehrung einer bekannten Floskel tritt der Falter hier als „Schaf im Wolfspelz“ auf.
Die Abgrenzung zwischen Bates’scher und Müller’scher Mimikry ist schon alles andere als einfach, die Übergänge sind fließend, noch dazu mit anderen Formen der Mimikry und/oder der Mimese sowie einer hinzutretenden Konditionierung und Adaptation. Die neue Theorie macht den Mimikry-Komplex nicht einfacher und bedarf der beobachtenden und experimentellen Überprüfung.


* https://www.fotocommunity.de/photo/besser-gehts-fast-nicht-mimikry-eines-sch-weisswolf/46395767
** https://www.fotocommunity.de/photo/fliegt-auf-heuschrecken-sandwespe-sphex-f-weisswolf/46468869

Kommentare 2

  • bayucca 26. Juni 2022, 18:55

    Wie immer spannend, was du da schreibst.
    • Weißwolf 27. Juni 2022, 19:26

      Dank an Dich für Deine Hinweise, ohne die wäre es wohl nicht oder nicht so fix gegangen. Es liegen noch einige Bilder auf Halde, mit denen ich nicht weiter komme und die Du Dir vielleicht ansehen magst. Wenn dem so ist: ich bin unter Wolfserde.de zu erreichen ...