Last des Lebens
Indien. Kerala. Meistens reise ich über Thiruvananthapuram im Süden des südwestindischen Bundesstaates Kerala nach Indien ein, um mich zunächst einige Tage am Kovalam Beach zu akklimatisieren und vor allem Freunde wiederzusehen.
Am Flughafen wurde ich bereits von Freunden erwartet. Dass ich um 4 Uhr morgens lande, hält niemanden, vor allem nicht die Kinder meiner Freunde, davon ab, mich sehnsüchtig in Empfang zu nehmen. Die Wiedersehensfreude ist riesengroß und obwohl wir alle müde sind, gibt es kein Halten mehr. Eine Unterkunft ist bereits für mich organisiert und gemeinsam fahren wir zum Kovalam Beach.
Keine zehn Meter entfernt wohnt diese ältere Dame, die ich schon seit vielen, vielen Jahren kenne. Wie lange genau, kann ich gar nicht sagen, denn seit 1989 reise ich fast jedes Jahr nach Indien. Als ich sie irgendwann das erste Mal traf, fragte sie mich, ob ich etwas zum Waschen hätte. Seitdem bringe ich ihr meine Wäsche, die ich bei den Temperaturen meist noch am selben Tag zurückbekomme. Gerne bedanke ich mich dafür bei ihr mit mehr Rupien als vereinbart.
Dieses Jahr hatte sie mir erzählt, dass ihr Mann verstorben sei und sie nun sehen muss, wie sie alleine über die Runden kommt. Ihr Leben ist mehr als bescheiden, auch wenn sie in einem Haus lebt, das ihr Mann einmal als Rohbau gekauft hatte. Leider ist es ihm nicht gelungen, das Haus mit zwei Stockwerken und einer Dachterrasse fertigzustellen. Innen sind die Wände und das Treppenhaus immer noch unverputzt, so auch der Fußboden, nackter Beton.
Als ich eines Tages meine fertige Wäsche abholen ging, erlaubte sie mir mit ihr auf die Dachterrasse zu gehen, um von dort aus einen umliegenden Ausblick zu bekommen. Beim hinauflaufen fiel mir unweigerlich auf, dass es im ganzen Haus anscheinend nur ihr Bett zu stehen gab. Sonst war ansonsten nichts zu sehen. Weder Schrank, Tisch, noch einen Stuhl. Einfach nichts, villeicht außer ein paar Kerzen, die hier und da auf dem Boden standen. Eine Armut, die ich zwar vermutet, aber in dieser Form, so nicht erwartet hatte. Wie schwer ihr Leben doch wirkte. Das machte mich traurig und noch nachdenklicher. Für mich war sofort klar, dass ich ihr für das Wäschewaschen ein Vielfaches an Rupien geben würde, um mich zu bedanken. Sie lebt von der Hand in den Mund. Und doch zweigt sie irgendwie ein paar Rupien ab, um etwas Zement und Farbe zu kaufen. Sie verputzt die kaputten Stellen der Mauer, die entlang des Grundstücks verläuft, entlang des schmalen Weges, den viele benutzen, um von den hinteren Gassen zu den anderen Hotels und zum Strand zu gelangen.
Fast jeden Tag, wenn ich von meinem Hotel zum Strand oder zurück ging, war sie damit beschäftigt, die Mauer zu verputzen oder zu weißeln. Es berührte mich jedes Mal, wenn ich ihr begegnete. Trotz des Gewichts ihres Lebens, ihre Freundlichkeit und ab und an ein Lächeln, gehören einfach zu ihr und scheinen sie nie verlassen zu haben.
WM-Photo Vor 7 Minuten
Die Geschichte der Frau berührt uns tief. Ihr Leben kann man nicht mit unserem vergleichen. Eine Frage drängt sich auf: wie kann man ihr helfen oder muss alles seinen Weg gehen?Gruß Walter
Lana 1 Vor 3 Stunden
Als ich einmal mit einer Reisegruppe Radjasthan besuchte, waren wir in einem sehr schönen Hotel untergebracht. Kurz vor dem Betreteten des Hotels sah ich eine alte Frau mit einer Blechschüssel die Straße entlangkommend, um Essen bettelnd. Dieser krasse Widerspruch -mit welchen Augen muss diese Frau uns ansehen!! Danke für Deinen Bericht! LG BrigittaW.H. Baumann Vor 3 Stunden
Gut gezeigt und beschrieben. Eine eindrucksvolle und starke Portraitaufnahme, die in SW besonders zur Geltung kommt.VG Werner
Wolfgang Linnartz Vor 3 Stunden
Bei Deinem Bild kann man sich unweigerlich die Frage stellen: Was ist der Sinn des Lebens?! Wir leben im Überfluss und andere haben wirklich nichts! Man muss einfach dankbar sein auf der richtigen Seite der Welt geboren zu sein! Dein Bild wirkt biblisch - barfuß und und eine schlichte Hülle einer Bekleidung! Bedrückend.... Klasse Beitrag zum Projekttag "Schwarzweißer Freitag“.Hier ist mein Beitrag zum Projekttag:
LG Wolfgang
Detlef Both Vor 4 Stunden
Ein intensives Porträt dieser Frau, das durch deine Hintergrundinformationen noch stärker wirkt.Gruß Detlef
Werner Sperl Vor 4 Stunden
Interessante Foto und Dank für den Text! LG WernerHier mein Themenbeitrag:
Birgit Pustelnik Vor 4 Stunden
Sehr bewegend. Deine beeindruckende und nachdenklich machende Schilderung und das großartige Foto gewähren einen wunderbaren Einblick in die Lebensrealität dieser Frau, die sich bei aller Armut und Leid ihre Freundlichkeit und ihren Überlebenswillen bewahrt hatWie reich sind wir und sind uns dessen oft nicht bewusst, deine eindringliche Dokumentation führt auch zu dieser Erkenntnis.
LG Birgit
Davina02 Vor 5 Stunden
Was für eine berührende Geschichte und ein ebenso emotionales Foto dazu. Ihr prüfender Blick sucht nach Rissen im Mauerwerk, ihre Hände erzählen so viel von ihrem arbeitsreichen Leben, ihr Gewand - obwohl unversehrt - könnte auch aus der Römerzeit stammen, ihre Armut nehme ich ihr voll ab! Sehr guter Einsatz der Offenblende!LG Angela
Werner Buschette Vor 7 Stunden
Ein sehr beeindruckendes authentisches Porträt in bester SW Umsetzung !Liebe Grüße Werner
Majid Samadi Vor 7 Stunden
Eine wunderbare Portrait in SW! LG Majidcabrio2 Vor 7 Stunden
Ein schönes Motiv zum s/w Tag, JürgenDazu wieder interessante Infos
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende, lg Anton
criscros Vor 7 Stunden
Sehr intensives und ausdrucksstarkes Portrait!Grüße, criscros
HG-Foto Vor 7 Stunden
den Moment gelungen festgehaltenlg Hans Georg
Dortmunder_Fotofan Vor 7 Stunden
Eindrucksvolles Portrait von dieser Frau aus Indien, dazu eine ebenfalls eindrucksvolle Geschichte.VG Dietmar
luuk Vor 7 Stunden
Schönes und beeindruckendes Foto und schön, etwas über den Hintergrund zu hören.