Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Die Bilder des Vaters

Mein Vater war zeitlebens Künstler: Maler, Zeichner, Grafiker, er war überzeugter Abbilder von Ästhetik – nein mehr, er war ein Erschaffer von Schönheit, aber auch ein Beobachter von Echtheit. Über sein Talent, seine Fertigkeitskompetenz, seine visuellen Fähigkeiten gab es nie Zweifel.

Auch als Fotograf hat er gut und solide, zuweilen sehr gekonnt gearbeitet. Er hat die Technik seiner Geräte verstanden und beherrscht. Ich habe das immer gewusst, allerdings als junger Mann musste ich für mich einen Weg für meine Emanzipation finden. Ich musste sehr andere Bilder machen, als er. Lyrisches Auge und available light und das sozusagen ungewollte Eggleston – artige erkunden der eigenen Lebensräume, lagen mir nahe, so wie das Erfinden von Geschichten. Da mein Vater Künstler war, gab es sozusagen existenzielle Streitpunkte der Kunst. Josef Beuys hat meinen Vater verärgert. Ich habe Beuys verehrt und am heutigen 100sten Geburtstag von Josef Beuys hätte mein Vater wohl zweifellos mit mir über ihn streiten wollen – vernichtende Aussagen von meinem Vater um Beuys als Künstler ad absurdum führen zu wollen.

Ich habe meinem Vater oft vorgeworfen, dass er über die Poesie hinaus nie gewachsen sei und sich in der Kunstszene einen Ruf als dekorativ arbeitender Zeichner und Grafiker gemacht hat. Das hat er bestätigt und mir mit dieser Bestätigung wiederum den Wind aus den Segeln genommen.

Nach dem nun seine zeichnende feine Hand für immer seine Tätigkeit eingestellt hat und mein Vater dazu auch nichts mehr sagen kann, bemerke ich immer mehr Ähnlichkeit beim Betrachten seiner Bilder und meiner Fotografie. Ebenen, Wege, grafische Verteilung der Elemente sind nicht selten verblüffend gleich. Striche und Flächen, Menschen und Landschaften sind ähnlich inszeniert. So ist das also mit der Emanzipation und mit der Absicht mit den eigenen Bildern aus dem Schatten des Vaters herauszutreten. Ich entdecke fast überall die Bildsprache des Lehrers. Selbst wenn es nur darum geht zwei Scheiben Katenschinken mit einem Kartoffel-Spargel Gericht zu fotografieren, oder in Blumen-Arrangements die Schönheit zu suchen und zu finden. Mein Vater war zwar nicht die Generation: „Offene Blende durchknüppeln bis der Arzt kommt!“, aber er hat mir Farbe und Formen vermittelt, die in meinen Auslösefinger geflossen sind – ob ich will oder nicht. Dies heute zu entdecken macht mich dankbar und froh, vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte es mich wahnsinnig gemacht und ich hätte es zu ändern versucht.

Was also bleibt, sind die Bilder meines Vaters – so oder so!

12. Mai 2021

Kommentare 3

  • Gerhard Körsgen 25. August 2021, 12:24

    Berührender Text.
    Mein Vater hat gemalt und durchaus ansehnlich. Meist romantische Flusslandschaften.
    Gemalt habe ich anfangs auch, meist Portraits meiner hübschesten Mitschülerinnen.
    Das dauerte allerdings gefühlt ewig und so kam ich zur Fotografie, das ging jeweils in sich
    schneller, selbst wenn man eine Woche auf die entwickelten Bilder warten musste.
    So gab es "künstlerisch" nie "Konkurrenz" zwischen meinem Vater und mir.
    Was ich "bildnerisch "genetisch" mitbekommen habe kann aber nur von meiner Mutter kommen. Aber das ist eine andere Geschichte...;-)
  • Eva B. 16. Mai 2021, 20:35

    Auch ich werde dir gerne folgen. Deine Texte berühren. Deine Bilder auch.
  • Photomann Der 13. Mai 2021, 15:55

    der Apfel fällt
    auch nur neben die Birne ....