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Das Drama der Künstler im Alter

Das Drama der Künstler im Alter

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smokeonthewater


Premium (World), Berlin

Das Drama der Künstler im Alter

[Friedhof Dahlem, Königin-Luise-Straße 57, Berlin-Dahlem • 30. April 2024]

Lucie Höflich (20. Februar 1883 Hannover – 9. Oktober 1956 Berlin), Ehrengrab 15-26

Die aus dem Adelsgeschlecht Holwede stammende Schauspielerin spielte viele begehrte Hauptrollen:
von Goethe, Lessing, Hauptmann, Ibsen – u.a. unter der Regie von Max Reinhardt.
Ab 1913 spielte sie auch in Stummfilmen und konnte ihre Popularität in den Tonfilm hinüber retten.
Kurzzeitig war sie mit Emil Jannings verheiratet, dem Superstar des deutschen Stummfilms.

Sie war während der Nazizeit nicht auf Engagements angewiesen und gründete ihr eigenes Studio.
Allerdings ließ sie sich auf einige Propagandafilme ein und suchte sich anspruchsvolle Projekte aus.

Noch immer sehenswert: "Peer Gynt" (1934 mit Hans Albers) und "Der Berg ruft" (1938 mit Luis Trenker).
Leider nur die Tonspur der Sterbeszene von Peer Gynts Mutter: https://youtu.be/C5JkaKe4usk
Höflich als Mutter des Bergführers Carrel https://youtu.be/zffr8WuSGz0?t=157
Goebbels ernannte sie 1937 zur Staatsschauspielerin und setzte sie 1944 auf die Gottbegnadetenliste.

Nach dem Krieg leitete sie das Staatstheater Schwerin, spielte viel in Berlin und und wurde Professorin.
Da sie zunächst in der Ostzone lebte, wurde sie in den Volksrat (Vorgänger der DDR-Volkskammer) berufen.

Wie viele Künstler hatte auch sie die Altersversorgung vernachlässigt.
Hinzu kam, dass sie 1938 das Mindestalter 45 für die Künstler-Pflichtversicherung noch nicht erreicht hatte.
Die West-Berliner Staatlichen Schauspielbühnen mussten ihr den Ensemblevertrag kündigen.
Der Intendant hatte Höflich gegen den Rechnungshof trotz weniger Auftritte als Ensemblemitglied geführt.

Sie profitierte zwar von Einzelgagen, die aber nicht die Alterskosten deckten.
Der Skandal sorgte dafür, dass der Senat von Berlin 1957 einen Ehrenfonds für ältere Künstler gründete.
Höflich kam nicht mehr in den Genuss des Fonds, durch die drohende Altersarmut erlitt sie 1956 einen Herzinfarkt.

Kommentare 8

  • sabiri 10. Juni 2024, 18:02

    Traurige Geschichte, die dieses Grab erzählt.
    Natürlich kenne ich als Wiener das Max Reinhardt Seminar gegenüber Schloss Schönbrunn - aber nur von außen.
    LG Gerhard
    • smokeonthewater 10. Juni 2024, 21:47

      Danke, dass Du diese nicht gerade spannende Story zu einem eher langweiligen Foto gelesen hast. Diese Persönlichkeit ist es aber wert gewesen. 
      LG Dieter
  • Zwecke 10. Juni 2024, 11:10

    Du bist das lebende Lexikon, muss ich immer wieder Feststellen.
    Du erinnerst an Personen, welche ich schon fast nicht mehr kenne.
    Sie hat wie viele Künstler ein tragisches Ende gefunden, aber uns geht es ja nicht viel anders, ich darf gar nicht daran denken.
    MfG Horst
  • The CANONier 10. Juni 2024, 9:50

    Das Bild und der Text = was alles so dahinter steckt, das weiß man kaum. Interessant, tragisch und talentiert. ich muss mal gleich bei google nach ihr suchen. Ohne Text sagt mir das Bild nichts, aber mit Text = was man hier so alles erfahren kann... Toll!
  • ralf mann 10. Juni 2024, 8:38

    Kann mich nur schwach an diese Schauspielerin erinnern, aber verdammt hübsch war sie.
    Eigentlich schade, dass es solche Fernsehsendungen wie die 'Rumpelkammer' nicht mehr gibt. Danke für die Erinnerung und die interessante Beschreibung dazu. Gruß Ralf
    • smokeonthewater 10. Juni 2024, 22:23

      Da sprichst Du mir aus dem Herzen.

      Bei den Montagabendfilmen im DDR-Fernsehen hatte ich die Gelegenheit, "Peer Gynt" komplett zu sehen, und das bewegende Spiel von Albers und Höflich bleiben mir bis heute unvergesslich. Die Tonspur klingt zwar sehr pathetisch, aber wenn man weiß, wie eindringlich die beiden das melancholische Ibsen-Drama zur Musik von Grieg gespielt haben, wird es plausibel. In dieser Szene nimmt Peer seine Mutter Ase, die lange nicht mehr aus dem Haus kam, auf den Pferdeschlitten mit, damit sie vor ihrem Tod noch einmal die Sonne sieht. Und während sie auf seinem Schoß liegend stirbt, genießen beide ihre letzten Visionen.

      Das war von Ibsen natürlich ein Angriff auf die Tränendrüsen, aber beide haben dafür gesorgt, dass es nicht kitschig wird.
    • ralf mann 11. Juni 2024, 6:43

      Glaube, an den Film kann ich mich auch noch erinnern - übrigens 'Solveigs Lied' ist für mich immer noch eine der genialsten und romantischsten Musikstücke, welche je komponiert wurden. Wer schon mal in Norwegen war, wird es nachempfinden können, dass diese Musik auch ein Teil der großartigen Landschaft widerspiegelt.